André Kirbach – Galerist & Kunsthändler
Wir sind auf dich gestoßen, weil einige Rowac-Produkte in deinen Galerien zu sehen sind. Dienen diese eher als Objekt oder als Bühne für Kunst?
Das ist eine gute Frage, denn über Rowac-Hocker stolpert man in meiner Düsseldorfer Galerie schon eine halbe Ewigkeit. Ein Rowac-Hocker ist ja mittlerweile ein Statement, nicht einfach nur ein Hocker. Und eigentlich war es ja ein Schemel, was uns die alten Rowac- Werbeanzeigen belegen. Aber das alles wusste ich damals noch nicht, auch über Rowac wusste ich nichts. Ich fand die Dinger halt überzeugend. Aber das ist es ja auch. Wenn etwas wirklich gut ist, dann braucht man nicht viel zu wissen. Der Gegenstand behauptet sich einfach neben anderen guten Dingen. So wird dann der Hocker zur Bühne für die Kunst - aber auch umgekehrt.
Du hast Ausstellungsorte in Düsseldorf und Pilsum - Was hat dich dazu bewegt, den ehemaligen Pilsumer Dorfmarkt zum Kunstraum Pilsum umzugestalten?
Jörg und ich hatten 2014 dieses kleine, verwunschene Landarbeiterhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Krummhörn erworben, als Rückzugsort vom Düsseldorfer „City life“. Dort lässt es sich so gut leben, dass aus dem Wochenendhaus ganz schnell unser Lebensmittelpunkt wurde. 2015 stand dann der alte Dorfmarkt in Pilsum zum Verkauf, der letzte seiner Art in der Krummhörn. Da mussten wir nicht lange überlegen – die Vision vom Kunstraum Pilsum war geboren. Nach aufwendiger Sanierung wurden die Türen dann 2021 geöffnet. Heute befinden sich im Kunstraum Pilsum meine Galerie sowie die von uns in 2018 gegründete Kunststiftung Krummhörn e.V.
Du warst mit 16 Jahren jüngstes Mitglied der Künstlervereinigung in deiner Heimatstadt Moers. Was hat dich dazu bewegt, Objekt-Design zu studieren?
Bevor ich Objekt-Design studierte musste ich erst einmal eines für mich klären - nämlich nicht Künstler zu werden. Was ich heute übrigens etwas anders sehe, denn die Bilder des damals 16jährigen halten meiner strengen Kritik bis heute recht gut stand. Aber damals war es wichtig, meine Grenzen zu erspüren sowie meine Stärken und Schwächen auszuloten. So entschloss ich mich dazu, Design zu studieren, was sicherlich die beste Entscheidung war, denn das Studium bildet heute die Basis für viele meiner Tätigkeiten.
An welchem Punkt in deinem Leben bist du auf Rowac gestoßen und was fasziniert dich daran?
Über meinen ersten Rowac-Schemel stolperte ich vor ca. 20 Jahren auf der Düsseldorfer Design- Börse. Ich kaufte gleich zwei Stück in der 50er Höhe. Na klar begleiten die mich immer noch, sie gehen ja nicht kaputt. Aber das ist nicht das, was mich an Rowac fasziniert. Da ist etwas hinter den Dingen. Da ist etwas auf den Punkt gebracht.
Kannst du uns über deine Skulptur von Hede Bühl erzählen und warum du entschieden hast, sie auf genau diesen Rowac-Schemel zu platzieren?
Hede Bühl zählt zu den wichtigsten deutschen Bildhauerinnen der Nachkriegszeit. Ich kenne ihre Köpfe seit ich meine erste Art Cologne in den 80ern besucht habe. Ganz besonders liebe ich diesen frühen Kopf aus Bronze, der noch zu Akademiezeiten unter Beuys entstanden ist. Warum er seinen Platz genau auf diesem Rowac-Schemel fand? Da passte einfach alles, von der Höhe (55 cm) bis zum Farbspritzer unten am Fuß. Der Rowac-Schemel war ja eigentlich ein industrielles Massenprodukt, aber über die Jahrzehnte wurden all diese Schemel zu kleinen Individualisten mit eigener Geschichte – ihren persönlichen Ecken, Kanten und Spuren der Zeit.
Wie würdest du die Ästhetik von Rowac beschreiben?
Es ist eine ganz besondere Ästhetik. Denn sie schafft es, klassische Schönheit und Moderne miteinander zu verbinden. Vor allem ist sie eine vorbauhausliche Ästhetik, die etwas vorwegnimmt, ohne ihre kleinen Details zu verbannen. Rowac ist nicht wirklich schlicht, Rowac zeigt eine feine, produktionsbedingte Ornamentik. Und das ist kein Verbrechen (Adolf Loos: Ornament und Verbrechen, 1908), im Gegenteil – die Dinge sind zeitlos, ohne beliebig zu werden.
Du nutzt deine Rowac-Möbel im Alltag; sie dienen also nicht nur als Ausstellungsstücke?
Rowac muss man einfach benutzen, dafür sind die Dinge ja gemacht. Wir haben fast alle unserer Stücke im Gebrauch. Aber das wichtigste Stück unserer Möbelsammlung ist zweifellos unser vierbeiniger Mahl-Schemel. Genau! Denn wir mahlen den Kaffee noch jeden Morgen mit der Hand. Ich tue das seit über 30 Jahren, und das immer mit der gleichen Kaffeemühle. Wer einmal Kaffee in einer alten Mühle gemahlen hat, der weiß, dass beim Drehen ordentliche Kräfte frei werden können. Und dafür benötigt man einen stabilen Hocker. Oder am besten gleich einen Rowac-Schemel!